Ein Unternehmen schreibt Geschichte

Das Durchschnittsalter deutscher Unternehmen beträgt rund 18 Jahre, schätzt die Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Älter als 100 Jahre werden nur knapp 1,5 Prozent. Zu diesen besonderen Unternehmen gehört auch die PFW Aerospace GmbH, die über mehr als ein Jahrhundert hinweg Krisen, Kriegen und Veränderungen in den eigenen Märkten trotzte.

Selten treffen ein hohes Alter und Weltmarktführerschaft aufeinander. Ganz einfach, weil eine Vielzahl an Jahren häufig nicht besonderes viel mit Technologieführerschaft zu tun hat. Unter den ältesten Unternehmen finden sich Brauereien, Weingüter oder Gasthäuser. PFW ist hier eine der wenigen Ausnahmen aus dem produzierenden Gewerbe: 1913 gegründet, ist das Unternehmen heute immer noch am Markt – und mit einigen Produkten sogar der weltweit einzige qualifizierte Lieferant.

Die Geschichte beginnt mit einem Mann, der heute als Trendscout seinen Lebensunterhalt verdienen könnte. 1913 erkennt der technisch begabte Alfred Eversbusch, dass die Zeit reif war für einen Flugzeugbauer. Für ihn liegt es auf der Hand: Die Zukunft würde der Luftfahrt gehören! Schon im zweiten Jahr gelangt der erste Otto-Doppeldecker aus den Pfalz-Flugzeugwerken bis nach Deutsch-Südwest-Afrika und unternimmt dann von dort aus Postflüge nach Namibia. Der Erste Weltkrieg beginnt, der Pfalz-Doppeldecker wird requiriert und stürzt  später ab. In Speyer fährt indes die Produktion hoch. Das Kriegsgeschehen verlangt nach Flugzeugen und die Pfalz-Flugzeugwerke werden während des Ersten Weltkrieges der drittgrößte Hersteller von Kampfflugzeugen in Deutschland nach Fokker und Albatros.

Allerdings folgt auf dieses Hoch auch der erste Absturz. 1932 wird die Zwangsversteigerung eingeleitet – die Flugwerke Saarpfalz entstehen. 1945 kommt jedoch schon das nächste „Aus“. Der Zweite Weltkrieg geht zu Ende und die französischen und amerikanischen Truppen marschieren ein. Dann ist erst einmal lange Schluss mit dem Flugzeugbau auf dem Speyrer Gelände. Geschichte wird trotzdem geschrieben: Ab 1954 baut Ernst Heinkel hier seinen berühmten Kabinenroller.

Ende der 1950-er Jahre nimmt auch das Geschäft mit den Flugzeugen wieder Fahrt auf. Es entsteht die Ernst Heinkel Flugzeugbau GmbH – und mit ihr sogar ein erstes eigenes Verkehrsflugzeug: HE 211. Doch das Wachstum ist gar nicht so einfach zu managen. Die Bundesluftwaffe wird aufgebaut – und in Speyer muss man mangels Kapital vor den Großprojekten kapitulieren: Man schließt sich 1964 mit Weser-Flugzeugbau und Fock Wulf in Bremen zu den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW) – später dann zu VFW-Fokker zusammen. In Speyer beginnt eine lange Blütezeit, die sich aber schon Mitte der 1970-er Jahre dem Ende zuneigt. Der Kalte Krieg ist hier ausnahmsweise hilfreich und reicht bis nach Speyer: Für die U.S. Air Force werden Inspektionen an Hubschraubern durchgeführt und für den Alpha Jet und den Tornado die Außentanks gefertigt. 1980 nach der Trennung von Fokker firmiert man wieder  unter „VFW GmbH“ – es beginnt die Zeit eines modernen Fertigungs- und Hubschrauberbetreuungswerks.

Es folgt in den 1990-er Jahren eine bewegte Zeit, denn in Speyer gehört man jetzt zur Deutschen-Airbus – und ist Teil des geplanten Weltkonzerns.

Man produziert jetzt Schalen, Kabel und Rohre – und ist als Airbus-Fertigungswerk abhängig vom Wohl und Wehe der Konzernmutter. Der geht es irgendwann so schlecht, dass für Speyer ein Käufer gesucht werden muss. Der ist ganz nah: 1996 übernehmen die Mitarbeiter ihre Firma einfach selbst, indem sie eine Mitarbeiter-AG gründen. Die verbliebenen 523 Mitarbeiter geben ihrem Unternehmen seinen alten Namen wieder: Pfalz-Flugzeugwerke. Und die Zeichen stehen ab sofort wieder auf Wachstum. 2001 steigt der Safeguard International Fund ein. Die Internationalisierung des Unternehmens nimmt ihren Lauf, Ingenieurskompetenz wird ausgebaut und ab 2005 glänzt ein neuer Name auf der PFW-Kundenliste: Boeing! 2011 übernimmt Airbus 74,9 Prozent des Unternehmens – die PFW Aerospace GmbH entsteht.

Die Geschichte der PFW Aerospace GmbH können Sie noch sehr viel ausführlicher nachlesen. Hier geht es zur detaillierten Version der Unternehmenshistorie:

100 Jahre PFW

Empfang der Jagdflieger-Geschwaderkommandeure durch die Pfalz-Flugzeugwerke im Februar 1918. 3. v. I., stehend: Alfred Eversbusch

Mit Alfred Eversbusch fing alles an

Der Initiative des damals 28-jährigen Alfred Eversbusch – ältester Sohn von Alfred Eversbusch, der in Neustadt an der Weinstraße eine Eisengießerei betrieb – ist es zu verdanken, dass 1913 die Pfalz-Flugzeugwerke gegründet wurden.

Gründe dafür waren die technische Ausbildung von Alfred Eversbusch, seine außergewöhnliche technische Begabung und die Tatsache, dass die Familie Eversbusch erkannte, dass in der aufkeimenden Luftfahrtbranche die Zukunft lag – zumal es in der damaligen bayerischen Rheinpfalz noch keine Flugzeugfirma gab und gerade der Übergang von Einmann-Ingenieurbetrieben zu Handwerksbetrieben vollzogen wurde.
Daher erschien der Familie Eversbusch das Risiko eher niedrig, obwohl im preußisch dominierten Rest des Deutschen Kaiserreiches mehr und mehr Flugzeugfabriken aus dem Boden schossen und eine Bildung von weiteren Flugzeugfabriken nur dann noch erwünscht war, wenn es sich um kapitalkräftige und großzügige Unternehmen handelte.
Da die finanziellen Mittel eines Einzelnen nicht groß genug waren für solch eine Unternehmung, beteiligte sich nicht nur die ganze Familie Eversbusch. Das heißt neben Alfred Eversbusch, seinem Bruder Ernst und seinem Schwager Willy Sabersky-Müssigbrodt kamen noch drei weitere Gesellschafter hinzu: die Brüder Richard und Eugen Kahn sowie August Kahn, der aber nicht direkt mit den Brüdern verwandt war.

Flugmaschine der Familie Eversbusch aus Neustadt, 1913

Am 3. Juni 1913 war es amtlich

Die Gründung der Pfalz-Flugzeugwerke GmbH wurde am 3. Juni 1913 in Neustadt/W. beurkundet und am 12. Juli 1913 in das Handelsregister beim Amtsgericht Ludwigshafen eingetragen. Im Handelsregister stand: „Gegenstand des Unternehmens ist der Bau von Flugzeugen und die Ausbildung von Flugzeugführern sowie die Betätigung aller Geschäfte, die geeignet sind, das Unternehmen zu fördern.“ Als Geschäftsführer wurden Alfred Eversbusch und Richard Kahn eingesetzt. Das Kapital betrug 50.000 Mark, davon waren 20.000 Mark reine Sacheinlagen. Die Sacheinlagen bestanden aus einer Flugmaschine, einem Flugzeugschuppen, einem Opel-Flugmotor sowie verschiedenen Werkzeugen und Zeichnungen. Die Flugmaschine brachten die Gebrüder Eversbusch mit, vermutlich eine Eigenkonstruktion, die 1912/13 in Neustadt entstand. Flugversuche führten mindestens Anfang 1913 zu einem leichten Flugunfall von Alfred Eversbusch, der sich demnach anfangs auch als Pilot versuchte.

Erste Flugzeughalle von Speyer, 1913

Firmenstandort direkt am neuen Speyerer Flugplatz

Schon früh – noch vor der Gründung der Pfalz-Flugzeugwerke – bemühte sich Alfred Eversbusch um die Pachtung eines Geländes an dem neu geschaffenen Speyerer Flugplatz. Bereits im März 1913 erhielt Alfred Eversbusch einen Vertragsentwurf für die Verpachtung. Denn die Stadt Speyer war damals sehr an dem neuen Wirtschaftszweig „Flugzeugbau“ interessiert.

Schließlich konnten 2.000 m² zu 10 Pf. pro m² erworben werden. Zudem wurde der Schuppen des Flugvereins für 50 Pf. pro Tag verpachtet, und die in der Nähe stehende Festhalle konnte sogar kostenlos genutzt werden

Im gemieteten Schuppen auf dem Flugplatz wurden hauptsächlich technisch klare bzw. flugbereite Flugzeuge der PFW abgestellt.

Erster Pfalz-Doppeldecker mit Fertigungsmannschaft der Pfalz-Flugzeugwerke, 1913/14

Nach anfänglichen Schwierigkeiten ging es schnell bergauf

Scheinbar aus wirtschaftlichen Gründen richtete man sich auf einen Lizenzbau ein. Denn Willy Sabersky-Müssigbrodt, der als Einziger eine technische Ausbildung im Flugzeugbereich hatte, ging bereits 1914 als Konstrukteur zu einer anderen Firma. Um einen Lizenzvertrag zu erhalten, wandte sich Alfred Eversbusch an die Albatroswerke in Berlin-Johannisthal. Doch die waren nur dann an einer Lizenzvergabe interessiert, wenn man sich an den Pfalz-Flugzeugwerken beteiligen konnte. Deshalb wurde ein Vertrag zur Gründung einer neuen Firma geschlossen: Pfalz- Flugzeugwerke Licenz Albatros GmbH. Doch zu echten Aktivitäten dieser neuen Firma kam es nie. Denn schon bereits am 5. August 1913 beantragte die Albatros GmbH die Löschung der Eintragung.

Nach einigen juristischen Plänkeleien wurde im Dezember 1913 der Löschung des Antrags stattgegeben und die Firma erneut als Pfalz-Flugzeugwerke GmbH eingetragen.

Ersttagsbrief aus Windhuk zur Erinnerung an 85 Jahre Luftpost, 1989

Aufwärts mit dem Otto-Doppeldecker

Nach der Lieferung des zugesagten Musters begann sofort die Herstellung des ersten Lizenz-Flugzeugs durch die Pfalz-Flugzeugwerke in der Speyerer Festhalle. Nebenher wurden auch gebrauchte Otto-Doppeldecker repariert.

Das erste Flugzeug war von der Firma Rudolf Hertzog, einer international bekannten Konfektionsfirma aus Berlin, bestellt worden. Nach der Fertigstellung dieses ersten eigenen Flugzeugs betrieb man intensive Werbung damit. Unter anderem landete man bei einem Streckenflug mit diesem Flugzeug in Tübingen, was für das Städtchen am 25. Oktober 1913 die erste „Fliegerlandung“ bedeutete.

Schon am 18. Mai 1914 startete Bruno Büchner mit 60 Postsendungen nach Usakos in Namibia, das er mit zwei Zwischenlandungen auch erreichte. Sie erhielten den Stempel „Erster Flugpostversuch in DSWA“. Eine 50 Cent-Briefmarke und ein Ersttagsbrief erinnerten 75 Jahre später an dieses Ereignis.

Eisenbahnbetrieb in Daressalam mit 100-PS-Rapp-Motor des Pfalz-Doppeldeckers, 1915

Schauflüge über Afrika

Die Vorstellung des ersten Flugzeugs führte von Afrika weiter über Karibib, Okahandja, Brakwater nach Windhuk. Da ein Flug über Kapstadt (Südafrika) nach Daressalam in Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) von den britischen Behörden nicht genehmigt wurde, ging das Flugzeug auf dem Seeweg am 4. Juli 1914 von der Lüderitzbucht mit dem Dampfer „Khalif“ nach Daressalam. Dort wieder montiert, konnte Bruno Büchner noch einen Probeflug durchführen, bevor der erste Weltkrieg begann.

Der Pfalz-Doppeldecker wurde von der deutschen Schutztruppe requiriert und stürzte bei einem Erkundungsflug ab. Aus den Resten des Flugzeugs baute man ein Wasserflugzeug. Als sich jedoch herausstellte, dass nicht genügend Treibstoff vorhanden war, montierte man den Flugzeugmotor auf einen Eisenbahnwagen und führte zwei Materialtransporte von Daressalam nach Morogoro durch.

Erste größere Halle der Pfalz- Flugzeugwerke in Speyer, 1914

Errichtung der ersten eigenen Fertigungshalle

Am 6. Februar 1914 beschloss der Speyerer Stadtrat, dem Ersuchen der PFW zu entsprechen, und verkaufte eine Fläche von 7.000 m² an der Ecke der alten Lußheimer Straße zur Errichtung einer Flugzeugfabrik.

Schon bald danach errichtete man eine eigene Fertigungshalle, die mit der weithin sichtbaren Beschriftung Pfalz-Flugzeugwerke Speyer am Rhein versehen war.

Zeitlich hatten die Pfalz-Flugzeugwerke großes Glück. Einen Monat vor Kriegsbeginn wurde man mit der Fabrikhalle fertig und es konnte mit der Fertigung von Parasol-Eindeckern begonnen werden. Kriegsbedingt stellten die Pfalz-Flugzeugwerke bis Ende 1918 die unterschiedlichsten Flugzeuge – sowohl in Lizenz als auch eigene Entwicklungen – her.

Die Pfalz-Flugzeugwerke hatten sich im Jahre 1917 zum leistungsfähigsten Flugzeugunternehmen des Königreiches Bayern entwickelt und galten innerhalb des Deutschen Reiches als bedeutender und zuverlässiger Flugzeughersteller auf dem Niveau der Firmen Fokker und Albatros.

Nach der Besetzung – verlassene Halle, 1919

Eine erfolgreiche Ära ging zunächst zu Ende

Direkt nach Ende des Krieges wurde der Rest der Pfalz-Flugzeugwerke von französischem Militär besetzt. Die Einrichtung sowie das Material wurden beschlagnahmt.

Am 4. Juni 1919 wurden die Pfalz-Flugzeugwerke in „A.G. Pfalz“ umbenannt bzw. neu gegründet. Der offizielle Zweck der Firma war gemäß Handelsregistereintrag „Schiffbau, Fabrikation, Ein- und Verkauf aller Gegenstände und Sachen der Industrie …“

Nach vielen Schwierigkeiten ging die Firma leider nach und nach unter. Das offizielle Ende kam 1932, als wegen offener Forderungen die Zwangsversteigerung eingeleitet wurde.

In Stand gesetzte He 51 und Bf 108 auf dem Flugplatz in Speyer, 1940

Gründung der Flugwerke Saarpfalz

Am 1. Oktober 1937 tritt die „Betriebsordnung der Flugwerke Saarpfalz GmbH, Speyer am Rhein“ in Kraft. Unterzeichnet wurde sie vom Betriebsführer Otto Schirmmeister.

Da der Flugplatz bei Übernahme der Flugwerke Saarpfalz noch nicht für den Einflug der in Stand gesetzten Flugzeuge geeignet war, brachte man die Flugzeuge anfangs auf dem Landweg nach Mannheim-Neuostheim. Deshalb richtete die Stadt den Flugplatz 1937/38 so her, dass für den Einflug der in Stand gesetzten Flugzeuge ein geeigneter Start- und Landeplatz zur Verfügung stand.

Ende 1937 gab es bereits 200 Mitarbeiter, und das Unternehmen wuchs bis zum Kriegsbeginn 1939 auf 500 Mitarbeiter an. Da die Flugzeugwerke Saarpfalz kein Entwicklungsbetrieb waren, übernahmen sie Instandsetzungs- und Umrüstarbeiten für andere Flugzeugfirmen. Dazu zählten unter anderem Flugzeugtypen wie die Focke-Wulf Fw 58, Heinkel He 45, He 46, He 51 und He 111, Junkers Ju 52 und Ju 88.

Aufgrund umfangreicher Arbeiten wuchs die Belegschaft auf etwa 1.500 Mitarbeiter an.

Mitte März 1945 kam durch den Vormarsch der amerikanischen und französischen Truppen bereits das nächste „Aus“ für den Flugzeugbau in Speyer.

Kabinenroller Nr. 1 der Ernst-Heinkel-Fahrzeugbau GmbH, 1956

Die Ernst-Heinkel-Ära

Aufgrund der steigenden Motorisierung erweiterte Prof. Ernst Heinkel sein Unternehmen 1954 durch die Ernst Heinkel Motorenbau GmbH in Karlsruhe und 1955 durch die Ernst Heinkel Fahrzeugbau GmbH in Speyer. Man darf davon ausgehen, dass der dazugehörige Flugplatz den Ausschlag für den Speyerer-Standort gab. Denn der Flugzeugbau blieb auch in Deutschland sein nächstes Ziel.

Am 18. Oktober wurde die „Kabine“ dem TÜV Stuttgart vorgestellt, und am 23. Februar 1956 gab es die erste Betriebserlaubnis vom Kraftfahrt-Bundesamt. Von den Typen der Heinkelkabine 150, 153 und 154 fertigte man in Speyer ca. 3.800 Stück. 1961 wurden die zwei Fertigungsstraßen nach Irland und Argentinien verkauft. Der maximale Ausstoß betrug bis zu 50 Fahrzeuge täglich.

CM 191 auf dem 24. Internationalen Luftfahrt-Salon in Paris, 1961

Der Flugzeugbau wurde wieder aufgenommen

Bereits 1956 gab es wieder Aktivitäten im Flugzeugbau. So wurden neben der Fahrzeugproduktion während der Jahre 1957-1959 auch Reparatur- und Wartungsarbeiten für verschiedenste Flugzeuge übernommen.

Ernst Heinkel verstarb sechs Tage nach seinem 70. Geburtstag am 30. Januar 1958. Bald danach erfolgte die Umbenennung seiner Firma in Speyer zu seinen Ehren und wegen zunehmender Flugzeugbautätigkeiten in Ernst Heinkel Flugzeugbau GmbH.

Von 1958 bis 1964 wurden zahlreiche Flugzeuge entwickelt und in Serie gefertigt sowie Flugzeugkomponenten hergestellt. Dazu zählen unter anderem: Tragflächen und Leitwerke für den Lookheed-Nachbau F 104, Serienbau der Fiat G 91, Bauvorrichtungen und Komponenten für das Verkehrsflugzeug F-27 „Friendship“ und Entwicklung eines eigenen Verkehrsflugzeugs HE 211.

Nach dem Aufbau der Bundesluftwaffe mangelte es an Aufträgen und auch an notwendiger Finanzkraft, um allein Großprojekte durchzustehen. Das Werk war nicht mehr zu halten. Am 20. November 1964 kam es deshalb zum Zusammenschluss mit den Vereinigten Flugtechnischen Werken in Bremen.

Fusionierung von drei Firmen zu Vereinigte Flugtechnische Werke

Fusionierung von drei Firmen zu Vereinigte Flugtechnische Werke

Mit der Fusion von Focke Wulf und Weser-Flugzeugbau und dem Ernst Heinkel Flugzeugbau zu den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW) im Jahre 1964 war Speyer ab 1965 nicht mehr Sitz eines eigenständigen Unternehmens, sondern nur noch ein Fertigungswerk im VFW-Firmenverbund.

Durch die Entwicklung der C 160 Transall wurden im Werk Speyer Bauteile für dieses große Transportflugzeug gefertigt: Triebwerksgondeln, Höhenleitwerk und Höhenruder für 169 Flugzeuge. Ebenso war das Werk Speyer mit Bauteilen an der Fertigung der 387 Hubschrauber des Typs UH-1D bei der Firma Dornier beteiligt.

Im Jahre 1968 fusionierte man mit der niederländischen Firma Fokker GmbH zu Vereinigte Flugtechnische Werke-Fokker GmbH – VFW-Fokker. Nach dem Beschluss des Bundestages im selben Jahr, den Hubschrauber CH-53 der Firma Sikorsky zu beschaffen, begann VFW-Fokker 1969 mit den Planungen für die Serienfertigung in Deutschland.

Ab 1969 gab es in Speyer eine richtige Blütezeit. Die Zahl der Beschäftigten stieg von 1.344 auf fast 1.800 Mitarbeiter. Die Lizenzproduktion erfolgte zusammen mit Sikorsky (USA), MBB, Dornier und der Triebwerksfirma MTU.

Jedoch fehlten mit Auslauf der Sikorsky-Lizenzproduktion für den Hubschrauber CH-53G ab 1975 umfangreiche Folgeaufträge. So kam es zum Existenzkampf. Neue Aufgaben wurden gesucht und gefunden. Ab 1978 wurden Bordküchen hergestellt. Parallel dazu wurden für die U.S. Air Force „Analytical Condition Inspections“ an Hubschraubern durchgeführt und für den Alpha Jet sowie den Tornado die Außentanks gefertigt.

1980 wurde die Trennung von der Firma Fokker erforderlich, und man firmierte wieder als „Vereinigte Flugtechnische Werke GmbH“.

Feierliche Eröffnung des Helicopter Service Centers Speyer, 1985

Übernahme durch Messerschmitt-Bölkow-Blohm

Nach der Übernahme von VFW durch die Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH 1983 wurde das Speyerer Werk wirtschaftlich gestrafft, in den Unternehmensbereich „Drehflügler und Verkehr“ integriert und zu einem modernen Fertigungs- und Hubschrauberbetreuungswerk ausgebaut.

Am 17. Oktober 1985 wurde nach zweijähriger Umstrukturierung das neu gestaltete Helicopter Service Center (HSC) von MBB offiziell in einer Feierstunde seiner Bestimmung übergeben. In dem HSC wurden zivile und militärische Hubschrauber inspiziert, gewartet und in Stand gesetzt.

Das MBB-Werk Speyer war in der MBB-Unternehmensgruppe Hubschrauber und Flugzeuge ein Betreuungs- und Fertigungsstandort mit hoch qualifizierten Mitarbeitern und langer, traditionsreicher Flugzeug- und Sondertechnik-Erfahrung.

In den Jahren 1987 und 1988 geriet das MBB-Werk in Speyer in die Schlagzeilen. Der Standort befand sich in Verbindung mit den Turbulenzen um das Gesamtunternehmen erneut in Gefahr. Ende 1989 erfolgte der Zusammenschluss von MBB und der mittlerweile gegründeten Deutschen Aerospace (DASA).

Deutsche-Airbus-Ära von 1991 bis 1996

Mit der Übernahme durch die Deutsche Aerospace bzw. Daimler Benz wechselten die Namen des Speyerer Werkes immer häufiger. Von 1991 Deutsche Airbus GmbH über 1992 Deutsche Aerospace Airbus GmbH änderte sich schließlich der Name 1995 in Daimler Benz Aerospace Airbus GmbH (DASA).

Das Werk wandelte sich in ein reines Airbus-Fertigungswerk für Schalen, Kabel und Rohre. Damit war man aber auch von den Wellenbewegungen des Airbus-Konzerns direkt abhängig. Die Belegschaft sank weiter unter die magische Zahl 1.000 auf nur noch 700 Mitarbeiter. Aufgrund umfangreicher Probleme im Airbus-Konzern wurde das so genannte Dolores-Programm ins Leben gerufen. Dabei standen plötzlich wieder einige Werke zur Schließung an. Speyer gehörte auch dazu. Deshalb suchte die DASA ab Herbst 1995 einen Käufer für das Werk.

Schlüsselübergabe an die neue Geschäftsführung, 1996

Ursprünglicher Name von 1913: Pfalz-Flugzeugwerke.

Im März 1996 wurde die DASA-Fabrik den Mitarbeitern in Form einer Mitarbeiter-AG übereignet, und die Geschäftsführung übernahmen drei Manager der DASA-Fabrik. Mit der Übernahme wurde Speyer vorerst ein reines Zulieferwerk für Frachtladesysteme, Klimarohre, Zusatztanks und Verkleidungen von Airbus-Flugzeugen. Am 1. Januar 1997 ging das Werk offiziell in die Hände der noch verbleibenden 523 Mitarbeiter über, und der Name des ersten Flugzeugwerks in Speyer wird wieder verwendet: Pfalz-Flugzeugwerke.

Nach einem Jahr, am 22. Januar 1998, hieß es im Mannheimer Morgen: „Bei uns herrscht eine Bombenstimmung.“ Von Personalabbau war keine Rede mehr, inzwischen wurde die Mannschaft sogar mit Leiharbeitern verstärkt, 617 Mitarbeiter standen auf der Gehaltsliste, und auch der Planumsatz von 125 Mio. DM wurde erreicht.

Eingangsbereich mit neuem Logo, Speyer 1997

Heute sind die Pfalz-Flugzeugwerke in einer erfreulichen Situation. Mit der positiven Entwicklung in der Zivilluftfahrt und beim Airbus gibt es einen mächtigen Aufschwung.

Um den weiteren Ansprüchen des rasant wachsenden Luftfahrtmarktes auch in Zukunft gerecht werden zu können, entschied man sich 2001 zur Erlangung weiteren Kapitals zum Verkauf von Anteilen an die Safeguard International Fund. Dieser Schritt ermöglichte eine weitere und rasche Expansion gerade in Hinblick auf den internationalen Markt.

Das neue Werk in Izmir, Türkei

Internationalisierung

Nach dem Anteilsverkauf an die Safeguard International Fund wurden die strategischen Ziele des Unternehmens weiter ausgebaut. Im Mittelpunkt stand die Internationalisierung.

Um u.a. sogenannte Off-set Verpflichtungen der Flugzeughersteller (OEM) bedienen zu können, gründete man bereits im Jahre 2003 ein weiteres Produktionswerk in Izmir, Türkei. Beschäftigte man sich dort zunächst mit der Herstellung von Zusatztanksystemen sowie kleinerer Strukturbaugruppen, wurde die Produktion im Laufe der Jahre breiter aufgestellt.

Ein weiterer Meilenstein in der jüngeren Firmengeschichte war der Zukauf des englischen Unternehmens HPL (2008). Am Standort Nuneaton fertigt PFW mittlerweile Produkte, die u.a. auch für die A350 benötigt werden.

3D-Modell: Rohrleitungen im Flugzeug

Das nächste strategische Ziel war der Ausbau der Engineering-Fähigkeiten. Als Folge dessen konnte im Jahre 2003 mit A380 der erste Auftrag mit Entwicklungsverantwortung (Design & Build)  im Bereich Rohre gewonnen werden. Weitere Design & Build-Aufträge wurden für A400M (2005) und A350 (2009) akquiriert.

Im Jahr 2005 konnte PFW mit Boeing einen weiteren großen Namen der Luftfahrt in sein Kundenportfolio aufnehmen. Mit verschiedenen Rohrleitungssystemen für den Boeing 787 Dreamliner erhielt PFW seinen ersten direkten Auftrag durch den multinationalen Konzern.

PFW Aerospace GmbH

Mitte 2006 ändert das Unternehmen nun nochmals offiziell seinen Namen. Längst sind die Pfalz-Flugzeugwerke weltweit unter dem Akronym PFW bekannt. Um diesen Namen nun auch amtlich führen zu dürfen, erfolgt im Juni 2006 die Umfirmierung in die PFW Aerospace AG.

PEEK Rohre

PFW Aerospace GmbH

Im Zeitraum von 2011 bis 2018 erlebte die PFW Aerospace GmbH eine signifikante Entwicklung. Im Jahr 2011 erwarb Airbus 74,9% der Anteile an PFW und leitete damit die Produktion des innovativen A350 XWB ein. Infolgedessen wurde das Unternehmen in PFW Aerospace GmbH umfirmiert. Zwei Jahre später hob der A350 zum ersten Mal ab, wobei PFW maßgeblich beteiligt war. Gleichzeitig wurde die Entwicklung der Boeing 787-8 & 9 in Speyer abgeschlossen, und PFW erweiterte seinen Schwerpunkt auf Kunststoff- und Verbundmaterialien im Rohrbereich.

Im Jahr 2014 wurden alle Bauteile für den Militärfrachter A400M endgültig in die Produktion übernommen. Ein Jahr darauf, 2015, errichtete PFW eine neue Fertigungsstätte für Konnektoren, die im Treibstoffsystem des A350XWB zum Einsatz kommen. 2016 markierte einen weiteren Meilenstein, als das erste Kunststoffrohr aus dem innovativen Material PEEK im A350XWB verbaut wurde. Die Distributionslogistik, die bis 2017 stark gewachsen war, wurde nach Germersheim verlagert. Im Jahr 2018 begann Airbus mit den Planungen für den Verkauf des Unternehmens.

Eingang, Speyer

Gedenkstein zum 110-jährigem Jubiläum

PFW als Hutchinson Tochter

Die Periode von 2019 bis heute kennzeichnet die Ära von PFW als Tochterunternehmen von Hutchinson. Zu Beginn des Jahres 2019 wurde PFW für den Verkauf vorbereitet und zog im Laufe des Jahres erste Kaufinteressenten an. Hutchinson erhielt schließlich Ende des Jahres den Zuschlag. Im Jahr 2020 wurde PFW ein integraler Bestandteil der Hutchinson Gruppe und bildet als größtes Tochterunternehmen im Bereich Aerospace, Defense & Industry eine eigene Division. Im Sommer 2023 feierte PFW sein 110-jähriges Jubiläum.